Warum eigentlich “Erika”?
Nun, ich weiß es nicht. Es ist eine etwas längere und gar nicht so spannende Geschichte, welche ihr 10-jähriges Bestehen feiert. Die Origin-Story eines Namens.

Es war einmal ein Spitzname
Ich hatte nie vor Dragqueen zu sein und war ich damals auch nicht. Der Ursprung des Namens geht auf zwei Freunde zurück, welche (ohne mich) beschlossen hatten, dass ich aussehe wie „eine Erika“. Der Spitzname hat sich in unseren kleinen Freundeskreis etabliert und von da an war ich halt einfach Erika. Kein weiterer Kontext oder tiefere Bedeutung – einfach ein zufälliger Spitzname.
Zu dieser Zeit (2014) war ich auch (Partei-)politisch und in verschiedenen Netzwerken aktiv. Ich hatte mich zu einer Veranstaltung angemeldet, bei welchen es um die Förderung von Frauen in der Politik ging. Kurz nach meiner Anmeldung bekam ich jedoch eine Ausladung per Mail da das Event von Frauen für Frauen sei. Das hab ich grundsätzlich nachvollziehen können, jedoch hat mich zu dieser Zeit der binäre Ansatz des Konzepts sowie die explizite Ausladung gestört. Daher hab ich eine erneute Anmeldung gesendet – und die E-Mail mit „Erika“ gekennzeichnet.
Die Vorbereitung(?)
Die Tage darauf hab ich mitbekommen, dass die Organisatorinnen etwas nervös waren. Man hatte Angst, dass ich und ein männlicher Freund, welcher sich als Eva angemeldet hatte, über die Veranstaltung lustig machen wollen. Das war natürlich nie die Intention und ich würde nie sagen, dass ich Unruhe stiften wollte.
Grundsätzlich gab es dann die Überlegung, wie man auf der Veranstaltung auftritt. Es war von Anfang an klar, dass ich nicht einfach „casual“ hingehe, sondern den Namen „Erika“ auch nach außen hin vertrete.
Viel Zeit für eine Vorbereitung gab es jedoch nicht, daher wurde alles eher simpel gehalten. Kleid, Schuhe und Armbänder hatte ich von früheren Tuntenball-Besuchen daheim. Zudem wurde Lippenstift um €1 aus dem Abverkauf und günstige Wimperntusche organisiert. Das war dann auch schon das ganze „Outfit“.
Am Tag der Veranstaltung ging es dann, mit einem kleinen Umweg zu meiner Schwester um Kleidung für „Eva“ ausleihen zu können, zur Location. So tagsüber in Wien unterwegs zu sein war etwas befremdlich und es kamen dann doch etwas Zweifel auf. Aber dafür war es jetzt zu spät – für ein Abblasen der Sache waren wir beide definitiv zu stur. Also ging es zur Veranstaltung.

Da waren wir jetzt. Zwei Typen Anfang zwanzig, welche sich als Eva und Erika zu einer politischen Veranstaltung angemeldet hatten. Die ersten Minuten waren etwas angespannt – ich hatte versucht zu ignorieren, dass ich in einem ganz fürchterlichen Kleid als Fremdkörper in einer Partei-Zentrale stand. Also wurde sich unter die Leute gemischt und Unterhaltungen geführt. Viele der Anwesenden kannte ich bereits, dennoch hab ich mich als Erika vorgestellt – das war immerhin die angemeldete Person. Die Veranstaltung war sinngemäß geprägt von politischem Small-Talk und Diskussionen. Selten wurde dabei angesprochen und hinterfragt warum ich hier im Kleid stehe.
Der weitere Abend verging ohne besondere Ereignisse. Eine Weitere der politischen Veranstaltungen, zu welchen ich zu dieser Zeit mehrmals die Woche ging – nur mit massiv höheren Frauen-Anteil. Und dennoch gab es noch einen gravierenden Unterschied: Ich war Erika. Es war angenehm sich bei bekannten Gesichtern nochmal neu vorstellen zu können und bei neuen Bekanntschaften direkt als Erika einsteigen zu können. Unterhaltungen waren für mich einfacher, ich fühlte mich freier und irgendwie weniger unter Druck. Ich, als Daniel, konnte innerlich einen Schritt zurück gehen und Erika vor mich stellen. Es war interessant mich selbst zu beobachten.

„Erika“ war an diesen Abend plötzlich in die Welt gesetzt und damit auch die Frage: Wer würde ich sein wollen, wenn ich nicht schon wäre, wer ich bin? In den darauffolgenden Wochen und Monaten blieb Erika präsent, wurde sogar explizit zu Diskussions-Runden eingeladen und nahm an meinem politischen Alltag teil.
Ich hab angefangen mir weitere Kleidung zu organisieren – hauptsächlich Blazer und Jumpsuits (welche ich nicht wieder tragen würde). Makeup war sehr lange kein Thema und rasieren wurde immer umgangen – wobei ich damals grundsätzlich weit weniger haarig war.

Wer würde ich sein wollen, wenn ich nicht schon wäre, wer ich bin?
Als Erika hatte ich mehrere Identitätskrisen, Konzepte und Ideen. Was aber immer klar war, war das Erika „groß“ ist. Etwas, dass ich mir selbst nie erlaubte zu sein. Geprägt durch viele Jahre unter meiner Depression, hatte ich grundsätzlich ein fürchterliches Selbstbild. Mir mich selbst dann als „Erika“ neu vorstellen zu können, hat mir neue Perspektiven aufgezeigt.
Diesen Text schreibend und damit auch nochmal über das Alles zu reflektieren, macht mir auch bewusst, was für ein Gfrast ich damals war. Als Cis-Mann eine Veranstaltung für Frauen zu crashen, würde ich mir heute vermutlich länger überlegen. Grundsätzlich kam noch am Abend der Veranstaltung eine der Organisatorinnen auf mich zu und wir hatten uns Unterhalten – über ihre Bedenken, dass sich zwei Männer einfach mit neuen Namen angemeldet hatten und sie sich vor den Kopf gestoßen gefühlt hatte. Aber auch, dass sie auch unseren Standpunkt verstand und froh war, dass wir die Veranstaltung ernst genommen haben.
Aus Eva wurde später Rebecca Rebell und die lebt, mit Stand heute, schon länger in einer Kiste.
Für mich hat an diesen Tag der sehr lange Weg zu einer Drag-Persona begonnen, welcher sich noch ein Jahr langziehen sollte. Ich wollte ja eigentlich nie Dragqueen sein – nur ein bisschen Unruhe stiften.
