Digital Performance

Eine Performance in den eigenen vier Wänden? Das ist doch bestimmt ziemlich easy und schnell gemacht. Theoretisch. Wenn man halt nicht wieder alle extra Meter, welche es gibt geht und damit ein simples Projekt in ein kleines Chaos stürzt.

Die Idee, eine “digitale Performance” zu machen, gab es zu dieser Zeit schon länger. Es ist aber immer daran gescheitert sich auf ein Konzept festzulegen. Songauswahl, Outfit, Visuals – zu viele Ideen, zu wenig Bereitschaft sich mit mir selbst einig zu werden.

Im Herbst 2020 wurde es endlich geschafft. Der Plan, die Performance rund um Halloween zu veröffentlichen, gab vor es etwas “spooky” zu gestalten. Das spiegelte sich im Outfit und den Visuals wieder: Dunkles Makeup, bedrohliche Fingernägel und ein dunkler Hintergrund. Es sollte aber auch nicht zu sehr in Richtung Halloween abdriften und damit das ganze Jahr über eine Gültigkeit haben.

 

Die Vorbereitung

Die Songauswahl war mit unter die schwierigste Entscheidung. Da zu dieser Zeit im Raum stand ein weiteres UNITE! (Eine Eventreihe welche aktuell aus einen einzigen Event besteht) geplant war, fiel die Wahl auf eine Europäische Künstlerin. Kerli hatte schon immer eine große Auswahl an Songs, welche ich performen wollte – und “Everybody Bleeds the Same”, hatte für mich den passenden Mood.

Es wurde begonnen das Video für den Hintergrund zu schneiden. Ich hatte zwar eine grobe Vorstellung, wie es aussehen sollte – einiges war dann aber doch durch die Verfügbarkeit von diversen Stockvideos vorgegeben. Eine Woche lang wurde Material gesichtet, geschnitten und das Lied darüber in Dauerschleife gehört.

Ich arbeite mit dem Programm “Final Cut” und habe, wie so ziemlich alles in Drag, nach “learning by doing” meinen doch eher limitierten Skill ausgebaut. Wie groß das Bild dann tatsächlich auf der Wand sein wird, wie gut ich durch das Beamer-Licht zu sehen sein werde: Alles große Fragezeichen. Man hofft halt das Beste.

Der Tag der Aufnahme

Selbstverständlich ist es nicht genug, dass man zum ersten Mal ein quasi Musikvideo mit einigen unbekannten Faktoren produziert. Am gleichen Tag ist natürlich auch noch ein Makeup Tutorial aufzunehmen – andernfalls hätte man ja ausreichend Zeit und Energie für den eigentlichen Plan.

Ab da ging es bergab. Ich hatte an dem Tag generell wenig Lust auf Drag, dann viel zu viel Zeit mit dem Makeup Tutorial verloren und als dann der Song das erste Mal durchlief bemerkt: Ich hab keine Ahnung von den Lyrics. Wie auch immer ich es geschafft habe, ein Lied die ganze Woche (und auch schon davor) zu hören und mir nicht die Lyrics zu merken. Und ein Pro-Tipp: Für die wiederholte Aufnahme von mehreren Versionen einer Performance empfiehlt es sich, nicht durchgehend direkt in den Beamer zu starren. Schont vermutlich die Augen.

Es war dann schon tief in der Nacht. Im kleinen Wohnzimmer war auf der einen Seite der Makeup Tisch mit dem Hintergrund für das Tutorial aufgebaut. Der Rest des Raums war Kabelsalat und Setup für den Beamer. Entnervt wurde dann von mir beschlossen, dass das reichen muss. Aushalten musste mich mein Freund, welcher die Ehre hatte die Technik für eine gereizte Dragqueen zu bedienen.

Post-Production

Und wieder vor Final Cut. Nochmal das Lied in Dauerschleife hören – mittlerweile kann ich wenigstens die Lyrics. Ich war massiv unzufrieden mit dem Material. Als ich den Hintergrund vorbereitet hatte, hat sich für mich eine sehr konkrete Idee ergeben, wie das finale Produkt aussehen soll. Das gab das Material aber nicht her.

Nachdem die Beziehung erneut unter einer genervten Dragqueen gelitten hatte, hab mich mich doch dazu durchgerungen mit dem Material weiter zu arbeiten. Unterm Strich: Top zufrieden. Ich bin durch das Beamerlicht gut ausgeleuchtet, es wird deutlich von der Seite gezeigt, dass das alles mit Beamer gedreht wurde und das mit dem Lipsync hat am Ende auch ganz gut funktioniert.

Resultat

Ich bin wahnsinnig stolz auf das Ergebnis. Insgesamt konnte ich mich intensiv mit Final Cut beschäftigen und hab damit einige Dinge gelernt, welche ich in anderen Projekten auch noch gerne einsetze. Dass das Video eines der am schlechtesten performenden Videos auf Youtube ist, ist zwar schade, aber nachvollziehbar. Vor einem Publikum zu performen finde ich auch besser, als in einen Beamer zu starren. Dafür ist immerhin das Makeup Tutorial, welches nur Beiprodukt war, eines der erfolgreichsten.